Wegfall der Wegzugsbesteuerung durch Rückkehr - auch ohne Rückkehrabsicht zum Zeitpunkt des Wegzugs
BFH Urteil zugunsten der Steuerpflichtigen!
Bundesfinanzhof – BFH-Urteil vom 21.12.22, I R 55/19
Der BFH hat zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden, dass eine „nur vorübergehende Abwesenheit“ nach § 6 Abs. 3 S. 1 AStG a.F. auch dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige zunächst ohne Rückkehrabsicht aus Deutschland wegzieht und innerhalb des gesetzlich bestimmten Zeitrahmens (nach alter Fassung) von fünf Jahren nach dem Wegzug eine Rückkehrabsicht entwickelt und tatsächlich wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird.
Damit entfällt der Steueranspruch für die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG durch die tatsächliche Rückkehr unabhängig von einer „Rückkehrabsicht“ zum Zeitpunkt des Wegzugs.
Für die betroffenen Steuerpflichtigen ist diese Entscheidung nicht zuletzt deshalb zu begrüßen, weil damit zugleich die mit dem Nachweis der Rückkehrabsicht verbundenen Schwierigkeiten und die damit einhergehenden Auslegungsfragen künftig entfallen.
Der BFH hatte im Zusammenhang mit der Wegzugsbesteuerung zu entscheiden, ob das Tatbestandsmerkmal der nur vorübergehenden Abwesenheit auch dann erfüllt ist, wenn der Steuerpflichtige zwar im Zeitpunkt des Wegzugs keine Rückkehrabsicht glaubhaft gemacht hat, aber innerhalb des Fünfjahreszeitraums einen Rückkehrwillen bildet und tatsächlich wieder in die unbeschränkte Steuerpflicht eintritt.
Im Streitfall hatte der Kläger im Jahr 2014 seinen inländischen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt aufgegeben und war nach Dubai verzogen. Im Jahr 2016 kehrte der Kläger zum Zwecke der Auseinandersetzung seines Vermögens nach Deutschland zurück, um dann im Jahr 2017 dauerhaft in die Vereinigten Arabischen Emirate zu verziehen. Zum Zeitpunkt des Wegzugs hielt der Kläger mehrere Beteiligungen an Kapitalgesellschaften im Sinne des § 17 EStG. Das Finanzamt sah die Voraussetzungen der Wegzugsbesteuerung als erfüllt an und stellte nach § 6 Abs. 1 AStG a. F. i. V. m. § 17 EStG steuerpflichtige Veräußerungsgewinne fest. Das Tatbestandsmerkmal der nur vorübergehenden Abwesenheit sah das Finanzamt als nicht erfüllt an. Hiergegen erhob der Kläger Einspruch mit der Begründung, durch seine tatsächliche Rückkehr nach Deutschland sei der Steueranspruch rückwirkend wieder entfallen. Damit sei das Tatbestandsmerkmal der vorübergehenden Abwesenheit erfüllt (§ 6 Abs. 3 AStG a.F.).
Das Finanzamt folgte der Auffassung des Klägers nicht, da der Kläger zum Zeitpunkt seines Wegzugs keinen Rückkehrwillen gegenüber dem Finanzamt bekundet habe. Nachdem sowohl der Einspruch als auch die Klage vor dem zuständigen Finanzgericht (FG Münster 31.10.19, 1 K 3448/17 E) erfolglos geblieben waren, gab der BFH der Revision statt und folgte der Auffassung des Klägers. Das Urteil des FG wurde insoweit aufgehoben.
Mit Urteil vom 21.12.22 entschied der BFH, dass im Streitfall die Voraussetzungen für eine Rückausnahme von der Wegzugsbesteuerung vorlagen und damit der durch den Wegzug ausgelöste Steueranspruch nach § 6 AStG a.F. i.V.m. § 17 EStG erloschen ist. Der Steuerpflichtige habe durch die Wiedererlangung der unbeschränkten Steuerpflicht das Tatbestandsmerkmal der „nur vorübergehenden Abwesenheit“ erfüllt.
Zwar lasse sich aus dem Gesetzeswortlaut das Erfordernis einer Rückkehrabsicht ableiten, jedoch sei der Vorschrift nicht konkret zu entnehmen, bis zu welchem Zeitpunkt der Wille zur Rückkehr gebildet und bekundet sein müsse (§ 6 Abs. 3 Satz 1 AStG a.F.). Ausweislich der Gesetzesbegründung (Drucks. 19/286252 vom 19.4.21, S. 49) sollen die bloße Absicht der Rückkehr und eine hinreichende Wahrscheinlichkeit genügen.
Etwas anderes gilt nach Auffassung des BFH für die Verlängerung der Rückkehroption im Einzelfall. Denn in diesen Fällen muss die Rückkehrabsicht bereits vor der Antragstellung gebildet und dem Finanzamt glaubhaft gemacht werden, dass die bereits gebildete Rückkehrabsicht unverändert fortbesteht. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Rückkehrabsicht und die Glaubhaftmachung bereits zum Zeitpunkt des Wegzugs aus Deutschland bestanden haben müssen. Die Rückkehrabsicht bzw. der Rückkehrwille kann daher auch innerhalb des Fünfjahreszeitraums nach Aufgabe des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts gebildet werden. Dies hat zur Folge, dass bei tatsächlicher Rückkehr und Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht innerhalb der gesetzlichen Fünfjahresfrist der Steueranspruch wieder entfällt.
Gesetzgeberisches Motiv ist der Wegfall des Steueranspruchs bei nur vorübergehender Entstrickung der in den Anteilen ruhenden stillen Reserven, der unabhängig von der Rückkehrabsicht des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Wegzugs zu beurteilen ist. Die tatsächliche Rückkehr sei daher als Indiz für die Rückkehrabsicht zu berücksichtigen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit, da gerade durch die Rückkehr das Besteuerungsrecht Deutschlands wieder auflebe, so der BFH.
HINWEIS
Der Rückkehrzeitraum kann auf Antrag um fünf Jahre auf insgesamt zwölf Jahre verlängert werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Rückkehrabsicht unverändert fortbesteht (§ 6 Abs. 3 Satz 3 AStG n.F.).
Bedeutung des BFH-Urteils für die Praxis
Die Entscheidung des BFH ist zu begrüßen, da Auslegungsfragen hinsichtlich der Rückkehrabsicht im Zeitpunkt des Wegzugs künftig entfallen. Der BFH hat klargestellt, dass betroffene Steuerpflichtige zum Zeitpunkt des Wegzugs keine Vorkehrungen treffen mussten und auch zukünftig nicht treffen müssen.
Insbesondere war es nicht erforderlich, im Zeitpunkt des Wegzugs gegenüber dem Finanzamt eine Rückkehrabsicht zu bekunden. Ausreichend war allein die tatsächliche Rückkehr innerhalb des maßgeblichen Zeitraums von bisher fünf (nunmehr sieben) Jahren, sofern auch die weiteren oben genannten Voraussetzungen erfüllt waren.
Zu beachten ist, dass die Entscheidung des BFH vom 21.12.22 noch zur alten Fassung des § 6 AStG ergangen ist und daher nur Sachverhalte bis einschließlich 31.12.21 betrifft. Gleichwohl dürfte die Entscheidung insoweit auf die neue Rechtslage übertragbar sein, als die tatsächliche Rückkehr ausreicht und eine Rückkehrabsicht im Zeitpunkt des Wegzugs nicht glaubhaft gemacht werden muss. Zu beachten ist, dass nach den Ausführungen des BFH für eine Verlängerung der Rückkehroption ein entsprechender Rückkehrwille nachzuweisen sein dürfte.